Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,

die Tragödie Afghanistan hat sich zu einem nicht endenden Albtraum entwickelt und inzwischen kann kein Propagandanebel mehr darüber hinwegtäuschen, dass wir am Hindukusch eine völlige politische Niederlage erlitten haben.

Die Korruption sollte bekämpft werden, aber laut Amnesty International ist Afghanistan auf Platz 177 der korruptesten Staaten dieser Welt vorgerückt. Die Liste endet bei 180.
Die Drogenproduktion sollte bekämpft werden, aber unter den Augen der NATO ist Afghanistan weltweit zum führenden Opiumproduzenten aufgestiegen. 90 Prozent der globalen Opiumproduktion stammt heute aus Afghanistan.

Die Taliban sollten bekämpft werden, aber heute sind die Taliban mächtiger als vor ihrem Sturz im Jahr 2001. 44 Prozent der afghanischen Distrikte sind nicht unter Kontrolle der Regierung und die Zahl der zivilen Opfer durch Selbstmordattentate und Anschläge erreicht Jahr für Jahr neue Rekordwerte.

Kein Ziel wurde erreicht, dafür wurden Fluchtursachen geschaffen: Die Binnenmigration ist von 400.000 Personen im Jahr 2011 auf 1,5 Mio. Personen im Jahr 2017 gestiegen. Gestiegen ist auch die Zahl der Afghanen, die in Europa und nicht zuletzt in Deutschland Zuflucht suchen.

Dieser verheerenden Bilanz zum Trotz will Verteidigungsministerin von der Leyen die Bundeswehr auf unbestimmte Zeit am Hindukusch stationieren. Und gerade erst im März hat die Große Koalition eine Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan beschlossen. Wenn aber Erfolge ausbleiben und wir seit Jahren offensichtlich im Nebel stochern, dann kann und darf das Motto nicht lauten „Weiter so!“ und „Mehr davon!“.
Im Gegenteil. Dann muss dieses Parlament innehalten, einen Schritt zurücktreten und den Mut haben, das kritisch zu hinterfragen, was wir erreichen wollten und was wir tatsächlich erreicht haben.

Welche finanziellen, personellen und materiellen Mittel wurden seit 2001 zur Erreichung welcher politischen, militärischen und ökonomischen Ziele eingesetzt?

Wie haben sich die Handlungen der Bundesregierung konkret auf die politischen, militärischen, soziokulturellen und ökonomischen Verhältnisse im Land ausgewirkt?
Anhand welcher Kriterien ist eine konkrete Aussage über Erfolg oder Misserfolg bisheriger Strategien möglich?

Fragen wie diese kann man nicht einfach ignorieren. Man muss sie beantworten. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung 432-seitige Evaluationsberichte zur Deutschen Welle anfertigt, aber nach 17 Jahren Afghanistan-Einsatz keine einzige Wirkungsanalyse vorweisen kann.

Dabei ist das Anliegen nicht neu. Bereits 2010 forderten SPD und Grüne hier im Bundestag, das deutsche Engagement in Afghanistan zu evaluieren. Aber der Antrag scheiterte, weil das Parteien-Klein-Klein – wie so oft in diesem Haus – wichtiger war als verantwortungsvolles Handeln.

Als AfD-Fraktion greifen wir diese sinnvolle Initiative wieder auf und fordern die Einsetzung einer Kommission zur ehrlichen und schonungslosen Bilanzierung des deutschen politisch-militärisch-zivilen Engagements in Afghanistan.

Es geht um den ernsthaften Versuch, aus der Geschichte des umfangreichsten zivil-militärischen Einsatzes der Bundesrepublik zu lernen und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.

Das sind wir nicht nur der deutschen Öffentlichkeit schuldig, sondern auch den Soldaten der Bundeswehr und den Zivilexperten, die jetzt in diesem Moment in Afghanistan ihren Dienst tun.

Vor allem aber schulden wir das den Hinterbliebenen der 3 deutschen Polizeibeamten, der 7 deutschen Entwicklungshelfer und der mindestens 57 deutschen Soldaten, die für die hier im Deutschen Bundestag getroffenen Entscheidungen mit dem Leben bezahlen mussten.

Vielen Dank!